Donnerstag, 4. Juli 2013

Pralle Lebenslust zelebriert E-Musik-Gassenhauer "O Fortuna" - ein Feuilletonartikel

Neulich gab's Orffs lautestes Opus in der Uni-Bielefeld und die Neue Westfälische berichtet dazu blümerant wie aus dem Handbuch für angehende Feuilletonisten:
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Du, ich hau dir gleich dreimal auf die Tastatur... wie war das: "Pralle Lebenslust in unangestrengter Kraft freudig zelebriert", 6 Adjektivismen bunt blumig aneinandergedrechselt umspeicheln des Lesers Augen; vor allem »Kraft« und »freudig« sind ein schönes Pärchen. Den Rest spar ich mir.

Aber geschenkt, Hauptsache, die Presse nimmt überhaupt Notiz von so einem Klassikevent und feiert noch dazu den E-Musik-Gassenhauer "O Fortuna"!

OMG! Das »E-Wort« hab ich ja schon lange nicht mehr gelesen, zuletzt beim Ausfüllen eines Gema-Fragebogens: "Handelt es sich bei Ihrer Veranstaltung in einer 800qm-Halle mit 350 Sitz- und 200 Stehplätzen um E- oder U-Musik?" Oder um einen Gassenhauer?

Alles wohl, möchte die Feuilletonistin uns begeistert mitteilen. Und sollte das gemeint sein, dann stimme ich zu. E-Musik wird nicht nur ohne Grund von der Gema höher taxiert, sondern klingt in Wirklichkeit gar nicht so schlimm wie »Ernste Musik«, eher wie »Unterhaltungsmusik« oder von mir aus auch wie ein »Gassenhauer« und noch dazu von Carl Orff, dem Erfinder der Klangstäbchenpädagogik.

Und ebenso wie letztere ist auch die Unterscheidung von U- und E-Musik kompletter Blödsinn. Als Zeuge diene mir Leonard Bernstein, 1977 bei einer Preisverleihung: „Wofür soll ich den Preis erhalten?“ - „Für Ihren großartigen Satz ‚Es gibt keine U-Musik und keine E-Musik. Es gibt nur gute Musik und schlechte.’“ - „Ein guter Satz. Wer soll den gesagt haben?“ - „Sie, Mr. Bernstein. So steht es überall.“ - „Ich? Keine Ahnung. Was soll ich gesagt haben?“ - „Es gibt keine U-Musik und keine E-Musik. Es gibt nur gute Musik und schlechte.“ - „Toller Satz. Den hätte ich gerne gesagt. Okay, ich nehme den Preis an.“ (Zitat nach Montana Musikverlag)

Es gibt auch ausführlichere Begründungen, z. B. "Das E und das U in der Musik oder wie eine fragwürdige Unterteilung, entstanden im deutschen Biedermeier, nicht nur für Verwirrung in den Köpfen heutiger Musikliebhaber sorgt, sondern auch kreative Musiker diskriminiert und einer Vielzahl von Komponisten die materielle Lebensgrundlage entzieht" von Frieder W. Bergner im Glarean-Magazin-Blog.

Am 1. Juli 2013 hat der WDR ein interessantes Zeitzeichen über die AFMA, die Vorgängerin der Gema gebracht, die vor 110 Jahren gegründet wurde.

Also bitte nie mehr ohne Not von U oder E sprechen oder schreiben! - Wie wäre es stattdessen mit G-Musik, "G" wie »geil« oder »Gassenhauer«?!

Apropos »Gassenhauer«, ein triviales Lied, welches auf der Straße gesungen wird: Wenn mir nächstens im Bus oder beim Einkaufen jemand volle Röhre "O Fortuna, velut Luna statu variabilis" entgegenschmettert, wäre ich doch sehr verwundert. Eher könnte das Folgende hier ein Gassenhauer sein, aber nein, ist ja auch von Orff (vielleicht als Dubstep-Version).



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