Und wie ist das bei Erwachsenen? Gibt's eine Rückkehr oder Wiederkehr zum Fremdeln, einmalig, periodisch oder permanent?
Was ist das Fremdeln überhaupt?
Wenn es ein rationales Risiko-Bewusstsein bei Erwachsenen gibt, sind irrationales Bauchgefühl, Schwellenangst, xenophobe Instinke (die ein aufgeklärter, kritischer Geist, niemals an seiner Oberfläche dulden würde) und soziopathische Tendenzen (im Umgang mit mobilen Kommunikationsgeräten) nur (beginnende) Persönlichkeitsstörungen?
Oder sind es nur emotions- und instinktgesteuerte Verhaltensprogramme, die wir normalerweise mit unserem Kontrollorgan im Gehirn im Griff haben?
Gibt uns das Bewusstsein die Chance, eine Abenteuerlust zu kultivieren, bei der wir Freude daran suchen, in fremde Umgebungen oder auf fremde Menschen zu blicken und dabei zu fremdeln?
Wie könnte das aussehen, bzw. sich von innen anfühlen?
Ich erinnere mich an einen merkwürdigen Zustand als ich ungefähr sechs Jahre alt war, also schon jenseits der kindlichen Fremdelphase. Der Klang eines Klaviers war für mich gleichzeitig abstoßend, aber doch reizvoll. Es tat "so gut" weh. - Als Erwachsener mit musikalischen Neigungen habe ich mir das Gefühl "aufgehoben" und bin stets auf der Suche nach der Musik, die mich gleichzeitig befremdet und doch anzieht. Als Musiker kenne ich auch das Lampenfieber vor einem Auftritt auf der Bühne, das abstoßend und anziehend zugleich ist.
Mit dem Fremdeln will uns ein eingebautes Programm schützen - "Trau, schau wem!" - und ist unserer Neugier doch im Weg - "overprotecting". Oft steht es einer wünschenswerten Öffnung einfach und unüberwindlich im Weg. Gerade, wenn es um Kultur und Gesellschaft geht, ziehen wir uns ins Schneckenhaus zurück (was aber auch noch viele andere Ursachen hat).
The concept of Schwellenangst has been embraced by the cultural elite to describe the problem of encouraging (often young) people into public spaces, like theaters and museums, that were designed specifically for them and, more often than not, funded by them. - Thomas Sutcliffe, KritikerDie Lust, die Schwellenangst und Lampenfieber zu spüren, das Fremdeln vor dem Fremden zu erfahren, ist also ein kreativer Impuls. In der Überwindung der Begrenztheit unserer Normalität liegt eine Chance, den Zwängen zu entgehen, die sich uns häufig als unlösbar darstellen.
Die Angst in den Griff kriegen.
Der Blick auf mutige Menschen hilft dabei. Und eine rationale Recherche des realistischen Risikos bei einem Vorhaben. Ebenso Notausgänge und Fluchtwege markieren, um ausbrechen zu können, wenn es nicht anders auszuhalten ist. Und die Einschätzung und der Beistand anderer.
Manch einer wird sich fragen, wovon schreibt Vattaunsa hier eigentlich. Und ich frage mich das auch. Denn in den meisten Situationen sind wir - normalerweise - völlig angstfrei. Auch wenn es um Neues geht. - Ist das aber nicht eine Täuschung?
Der Angst entwachsen?
Während wir als Kinder im Lande Brobdingnag (bekannt als Land der Riesen in Swifts Erzählungen von Gullivers Reisen) leben, alles ist groß und bedrohlich, befinden wir uns mit großer Selbstverständlichkeit im Lande Liliput (Land der Zwerge), wenn wir groß und "erwachsen" sind und an unsere Kinderzeit zurückdenken. Wir sind Entwachsene, der Angst entwachsen.
Bleiben wir nicht in Wirklichkeit gegenüber den meisten Dingen der Welt und des Universums Zwerge und sollten darum vorsichtig bleiben? Dass die Dominanz der Erwachsenen in unserer Gesellschaft alle Dinge des Alltags so angeordnet und hergestellt hat, dass es normal erscheint, wie es ist, ist doch eine Täuschung. Die Anzahl der Dinge, die wir nicht kontrollieren und anpassen können, ist und bleibt unendlich viel größer.
Vorsicht, eine wohltemperierte Angst vor dem Unbekannten ist also auch rational betrachtet ein Zustand, der mit großer Wahrscheinlichkeit angemessen ist und erwartet werden darf.
Es ist eine ungesunde Selbsttäuschung, sich ohne Angst zu fühlen. - Lasst und fremdeln!
Eine Diskussions-Veranstaltung zu dem Thema würde ich sofort besuchen. Absolut spannend.
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