Donnerstag, 8. Januar 2015

Jetzt auch wissenschaftlich: Digital macht nicht dement.

Manfred Spitzer, der Mann regt mich auf: er wirkt wie ein besessener Prediger gegen die Entwicklungen der digitalen Umwelt, die uns heute umgibt. Immer wieder gern lese ich zur Beruhigung Kathrin Passigs genialen Essay über die "Standardsituationen der Technologiekritik", in der sie die Argumentationsmuster der über 35-Jährigen (Douglas Adams, s.u.) im Endeffekt als gerontokratischen Reflex entlarvt.

Vergleiche Douglas Adams Bonmot über die verschiedenen Altersstufen.
1) everything that’s already in the world when you’re born is just normal 
2) anything that gets invented between then and before you turn thirty is incredibly exciting and creative and with any luck you can make a career out of it 
3) anything that gets invented after you’re thirty is against the natural order of things and the beginning of the end of civilisation as we know it until it’s been around for about ten years when it gradually turns out to be alright really. - Douglas Adams


Die Vielzahl gleichblökender Mitmähnschen ;-) macht es der Gegenposition, dass das Neue in erster Linie neu, aber nicht schlecht sein muss, nicht einfacher. Da tut es gut, wenn die These von der "Digitalen Demenz" mit wissenschaftlichem Nachweis zerlegt wird, wie in der Forschungsarbeit "The Benefits of Saving on the Learning and Remembering of New Information" von Benjamin C. Storm und Sean M. Stone von der University of California, Santa Cruz, USA aus dem Oktober 2014.

Ihre These lautet: Das (digitale) Abspeichern von Daten, die man sich sonst merken müsste, erleichtert das Lernen neuer Informationen. Ihre Messungen bestätigen das.

Wohlgemerkt: es geht nicht um den allgemeinen Niedergang der Bildung, die Dekadenz der Jugend und den Untergang des Abendlandes - das versteht sich seit Menschengedenken von selbst:

"Ich habe keine Hoffnung mehr für die Zukunft unseres Volkes, wenn sie von der leichtfertigen Jugend von heute abhängig sein sollte." - Hesiod 


Der Mythos von der digitalen Demenz

Die Ausgangsfrage war:

Aber ist der technikaffine Mensch dann nicht von digitaler Demenz bedroht? Verkümmert unsere Merkfähigkeit, weil wir sie nicht mehr verwenden? Was passiert mit den Ressourcen im Gehirn, die durch das Vergessen extern gespeicherter Daten frei werden?

Dabei wird auch ein Forscher aus Bielefeld zitiert:

Auch der Psychologe Hans Markowitsch von der Universität Bielefeld empfiehlt, Dinge, die man nicht akut parat haben muss, getrost externen Speicherorten anzuvertrauen. An eine besondere Qualität der uns ständig umgebenen digitalen Speichermöglichkeiten glaubt er allerdings nicht. Den gleichen Effekt hätte man "natürlich auch mit Notizblock oder Kreidetafel gefunden", sagt er.

Das alles hatte ich ehrlich gesagt schon gewusst oder sagen wir: zumindest gehofft, dass mich mein Vertrauen in die Nützlichkeit des Neuen nicht trügt. - Wie schön!


Doch die interessanteste Aussage steht am Schluss:

In weiteren Experimenten konnten sie zeigen, dass der Auslagerungseffekt nur dann funktioniert, wenn das Gehirn sich auf den externen Speicher auch verlassen kann. Gab es häufiger Datenverluste beim Speichern von Liste A - diese hatten die Forscher gezielt in die Experimente eingebaut -, wurde auch der Kopf für Liste B nicht frei.

Fazit: Vertrauen in die Verlässlichkeit der Technik ist die Grundlage für alles weitere.

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